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Von unserem Redaktionsmitglied Matthias Mühleisen
Der Zweck ist über jeden Zweifel erhaben. Dass er auch das Mittel eines "Abends für Alle" heiligt,
wie die Benefizveranstaltung auf dem Programmblatt apostrophiert wurde, darüber kann sich der Rotary-Club Hockenheim
seit vorgestern sicher sein. Eine auf den ersten Blick gewagte Mischung aus Schülerband, nörglerischem Gesangsduo,
expressplauderndem "Selbstdarsteller" und schrill-virtuosem Kult-Comedy-Dreier, die an einem Dienstagabend die Stadthalle füllt -
das muss den Rotariern der Rennstadt erst mal jemand nachmachen.
Skeptiker mögen im Vorfeld ob der Kombination von Echtzeit, den Begabten Hausfrauen, Kabarettist Ludwig Müller und -
als unumstrittenen Glanzpunkt - der Kleinen Tierschau die Stirn gerunzelt haben: "Wie passt das denn zusammen?"
Die Begeisterung, die die Akteure beim Publikum entfachten, wischte derlei Bedenken mühelos beiseite:
Es passte einfach, weil das breite Spektrum der Künste neben der Unterhaltung des Publikums einer unumstritten guten Sache diente:
der Hilfe für rund 100 Kinder in Weligama auf Sri Lanka und ihren Angehörigen, die der Rotary-Club Hockenheim
seit eineinhalb Jahren bei der Bewältigung der Tsunami-Folgen unterstützt. Vorm Einstieg ins knapp dreistündige Bühnengeschehen
schilderten Rotary-Präsident Peter Wesche und Dr. Andrea Hilmer-Lossen, als "Kontakt-Rotarierin" regelmäßig in Weligama vor Ort,
wie der Hockenheimer Club hilft. Ärztin Hilmer-Lossen erlebte vor einigen Wochen erneut,
wie positiv sich das Projekt schon ausgewirkt hat: "Jetzt strahlen die Augen wieder", kommentierte sie Bilder der Menschen vor Ort.
Die Patenschaften ermöglichten den 100 Kindern den Schulbesuch und damit eine Perspektive.
Auch das Betreuungshaus für Schwangere sei mit deutlich verbesserter Ausstattung wieder aufgebaut worden.
Zu dieser tätigen Anteilnahme über Ozeane hinweg passte "Someone is watching over me" bestens, das Echtzeit,
die inzwischen bestens bekannte Band der Sing- und Musikschule Hockenheim, mit der Stimme von Vanessa Vitkus
der Präsentation anschloss. Die Frage, die Echtzeit mit der abschließenden Coverversion von "What's up" in den Raum stellte,
war eindeutig mit "Eine ganze Menge" zu beantworten. Mit dem (auch mit Rotariernachwuchs besetzten) Ensemble
unter Leitung Annelie Bayers ist richtig viel los.
Dass auch die Begabten Hausfrauen ihren Namen völlig zu Recht tragen, hatten Sabine Zahn-Heidenreich und
Marina Nottbohm schon unterstrichen, bevor sie die Zuschauer mitnahmen auf eine Reise in die 50er Jahre zu
Schlagerklassikern von Caterina Valente. Wobei neben der Begabung zu Gesang und Klavierspiel insbesondere
die zum ausgereiften verbalen Clinch den Hörgenuss ausmachte. Wenn das Nordlicht Nottbohm knochentrocken
den Anmoderationen der Kurpfälzerin Zahn-Heidenreich in die Parade fuhr, wenn sie mitten im Stück
die Hände von den Tasten nahm, um zu streiten, wie viele italienische Worte tatsächlich in "Quando, quando?" vorkommen,
riss das auch die Gäste mit, die die Stücke im Original nicht kennen.
Kampflustig zeigte sich ebenso der vom rotarischen, selbst nie um einen flotten Spruch verlegenen
Moderator Jürgen Hauser als "Weltmeister im Verbalkarate" angekündigte österreichische Kabarettist Ludwig Müller,
der das Publikum unter dem Motto "Geehrt und gefedert" in teilweise rekordverdächtigem Sprachtempo quer durch zehn Jahre
seiner Vokalakrobatik schleuste. Er setzte dem modischen "Coffee to go"-Trend den "Coffee to wait" aus dem Kaffeehaus
seiner Heimat entgegen: Dort wirke der Skulpturendarsteller vorm Fenster gegenüber dem Ober noch wie ein Epileptiker.
Schüttelreimend rezitierte Müller Tischgebete aus aller Welt, gab die dialektschummelnden Charaktere einer alpinen Seifenoper
in fliegendem Wechsel wieder und verschloss sich auch dem Wunsch nach seinem Evergreen "Massenkarambolage" nicht.
Auf dem Scheitelpunkt der Stimmungswoge, auf dem Müller die Gäste vor der Umbaupause zurückgelassen hatte,
holten Michael Gaedt, Ernst Mantel und Michael Schulig sie mit Auszügen ihres Jubiläumsprogramms
"Landfunk und Scheunentrash" nahtlos wieder ab und intensivierten den Seegang noch.
"Wenn ich vergnügt bin, muss ich singen", eröffneten sie ihr 60-minütiges Feuerwerk, und der Umkehrschluss lautete einmal mehr:
Wenn sie singen, muss man vergnügt sein. Denn die Kleine Tierschau lässt keinen unberührt von ihrer
schelmischen Virtuosität und ihrem Einfallsreichtum beim Veräppeln ländlicher Sitten und Gebräuche.
Die Schubkarre mit Vierzylindermotor als "Perpetuum Mobile" auf dem Rundweg zwischen Tankstelle und Zuhause,
die verbale Huldigung des "Choppers" mit Drei-Meter-Gabel, den Gaedt genüsslich über die Rampe von der Bühne steuert,
das pantomimische "Agricultainment" zu "Kung Fu Fighting", das "American Rodeo" mit falschen Explosionsrammen
und natürlich das obligatorische Einbinden "Freiwilliger" aus dem Publikum, auf deren Köpfen dann
elektronisches Schlagzeug gespielt wird - das kann so nur die Kleine Tierschau, die folgerichtig frenetisch gefeiert wurde.
Mit stillem Dank an Rotary . . .
Schwetzinger Zeitung
19. Oktober 2006

Vom "Weltmeister im Verbalkarate" bis zum Dorfmeister im "American Rodeo": Ob Kabarettist Ludwig Müller (links)
oder die kleine Tierschau (Michael Schulig und Erst Mantel auf falschen Rammen, rechts), ob Echtzeit oder die
Begabten Hausfrauen - sämtliche Akteure verzichteten auf Honorar und sorgten damit doppelt für gute Laune.

Volle Kanne mit der Karre: Michael Gaedt von der kleinen Tierschau stürmte mit dem "Pepetuum Mobile" höchst geräuschvoll
die Stadthallenbühne.
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